Verkehrsrecht - Keine Erkundungspflicht bezüglich Verkehrsschilder nach Fahrerwechsel

Keine Erkundungspflicht bezüglich Verkehrsschilder nach Fahrerwechsel

 

Beschluss des 1. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.06.2014 – 1RBs 98/14

 

Das OLG hat entschieden, dass der Bei- oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich nicht verpflichtet ist, auf Verkehrsschilder zu achten. Nach einem Fahrerwechsel trifft ihn regelmäßig keine Pflicht, sich nach einem durch eine vorherige Beschilderung angeordneten Überholverbot zu erkundigen.

 

Zum Sachverhalt:

 

Der Betroffene fuhr in dem von seiner Ehefrau gesteuerten Pkw mit. Auf dem Rücksitz befand sich das Kind der Eheleute. An der Wegstrecke übernahm der Betroffene auf einem Parkplatz der Steuer, damit seine Frau das Kind beruhigen konnte. Ungeachtet eines zuvor angeordneten Überholverbots überholte der Betroffene sodann einen weiteren Pkw.

 

Das erstinstanzliche Gericht verurteilte den Betroffenen wegen der fahrlässigen Nichtbeachtung des Überholverbots zu einer Geldbuße von 87,50 €. Zur Begründung wies das Amtsgericht darauf hin, der Betroffene habe sich bei Fahrtantritt bei seiner Ehefrau nach den geltenden Verkehrsregelungen erkundigen müssen, so dass ihm beim Außerachtlassen des angeordneten Überholverbots fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.

 

Das OLG Hamm hat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Zur Begründung führte es aus, dass der Betroffene nicht verpflichtet gewesen ist, als Bei- oder Mitfahrer in dem von seiner Ehefrau gesteuerten Pkw auf die Verkehrszeichen zu achten, da er zu diesem Zeitpunkt kein Verkehrsteilnehmer gewesen sei. Ein besonders gelagerter Fall, bei dem etwa ein Fahrzeughalter als Beifahrer ein Fahrzeug einer fahruntüchtigen Person überlassen habe und deswegen auch für dessen Fahrweise mitverantwortlich sei, liege nicht vor. Zum Zeitpunkt des Fahrerwechsels sei das Überholverbotsschild für den Betroffenen als Fahrer nicht mehr sichtbar gewesen. Jedenfalls habe sich der Betroffene zu diesem Zeitpunkt auch nicht bei seiner Ehefrau nach etwaig bestehenden besonderen Verkehrsregelungen erkundigen müssen. Für eine solche Verpflichtung gebe es keine Rechtsgrundlage. Würde man eine solche verlangen, gebe es zudem keine Gewähr für die Richtigkeit einer erhaltenen Auskunft. Wenn diese falsch sei, bestehe die Gefahr, dass sie im Vertrauen auf die Auskunft die im Verkehr gewünschte gesteigerter Aufmerksamkeit vermissen lasse.

 

Das OLG Hamm führte allerdings weiterhin aus, dass das Amtsgericht gehalten sei, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Denn auch wenn der Betroffene die das Überholverbot anordnende Beschilderung vor seinem Fahrantritt deshalb nicht zur Kenntnis genommen habe, sei es möglich, dass der Betroffene sie kennen müsse, weil er die Straße zuvor schon häufiger oder gar regelmäßig gefahren habe. Des Weiteren sei zu klären, ob die örtlichen Gegebenheiten das Vorhandensein eines durch Beschilderung angeordneten Überholverbots besonders nahe legen, denn auch hieraus könne sich ein fahrlässiges Verhalten des Betroffenen ergeben. Insbesondere diese Ausführungen des OLG Hamm sind in der Verteidigungsstrategie zu berücksichtigen.

 

Manuel Schoppe

Rechtsanwalt

 

Nesbit I Böggemeyer I Schoppe

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Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm Beschluss vom 18.06.2014 – 1 RBs 89/14