Neues Urteil zu Poliscan Speed
AG Emmendingen, Urt. v. 26.02.2014 – 5 OWi 530 Js 24840/12
Leitsatz: Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät PoliScan M1 HP der Firma Vitronic sind mangels Überprüfbarkeit des Gerätes nicht verwendbar.
Das Amtsgericht Emmendingen hatte über insgesamt fünf Verfahren bezüglich der Messung mit dem Gerät PoliScan M1 HP zu entscheiden. Die Betroffenen bestritten die Ordnungsmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessungen.
Diese wurden nach dem Grundsatz "in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Das Gericht hatte Zweifel an der Zuverlässigkeit des hier verwendeten Messgeräts. Die Zweifel konnten mangels Kenntnis der genauen Funktionsweise des Gerätes nicht überwunden werden. Das Gericht bezog sich in der Urteilsbegründung insbesondere auf die Ausführung des bestellten Sachverständigen. Dieser hat überzeugend begründet, er sehe sich auf der derzeitigen Erkenntnisgrundlage nicht im Stande, die Korrektheit der verfahrensgegenständlichen Messungen zu bestätigen. Dieser „traute" dem vorliegend zum Einsatz gebrachten Messgerät nach wie vor nicht. Detaillierte Unterlagen über die Funktionsweise des Messsystems, insbesondere geeichte Daten, würden, obwohl vorhanden, derzeit nicht zur Verfügung gestellt, weder von der Herstellerfirma, noch von der PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt).
Zwar stehe seit dem 24.07.2013 eine neue Version des Auswerteprogramms zur Verfügung. Dieser so genannte "TUFF-Viewer“ 3.24.1 führe im Vergleich zum Vorgänger zu einer erhöhten Annullationsrate. Die Zweifel des Sachverständigen bezüglich der Enttarnung tatsächlich aller Fehlmessungen sei hierdurch indes nicht zerstreut. Im Gegenteil: die nachträgliche Anwendung des neuen „TUFF- Viewers“ auf Altfälle habe keine in sich schlüssige Erklärung – im Sinne einer umfassenden Lösung – fraglicher Messungen aus den Bereichen "Verdeckungsszenario" und "verzögerte Fotoauslösung" ergeben. Manche Messungen würden für den Sachverständigen nicht nachvollziehbar nunmehr als "zweifelhaft" erklärt, andere für den Sachverständigen nach wie vor "zweifelhafte", blieben unangetastet. Für eine Überprüfung im Sinne der Beseitigung der Zweifel sei die bislang verweigerte Zurverfügungstellung geeichter Daten – wie von anderen Herstellern gewährt – zwingend notwendig.
Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, er habe vor kurzem eine ganze Datei einer PoliScanSpeed - Messung im Stadtgebiet Frankfurt/Main ausgewertet, bei der die“Tuff-Viewer“ Annullationsrate bei 21 % lag. Worauf dies beruht, entziehe sich der Einsicht eines externen Sachverständigen. Klar sei aber, dass der aktuelle „TUFF-Viewer“, warum auch immer, mit einer "Intelligenz" versehen wurde, die Außenstehenden verborgen bleiben solle.
Insbesondere die letztgenannten Ausführungen haben die beim Gericht bestehen Zweifel verstärkt. Möglicherweise wird die nächste Generation des „TUFF-Viewers“ aufgrund eines Phänomens ähnlich dem in Frankfurt mit einer weiteren "Intelligenz" versehen, die dazu führt, dass zusätzlich einer von fünf betroffenen "Altfällen" als "fehlgemessen", aber rechtskräftig verurteilt wird.
Eine Verurteilung auf der gegebenen, wohl nicht zuletzt mit Blick auf wirtschaftliche Interessen, künstlich verkürzten Erkenntnisgrundlage, wäre aus Sicht des Gerichts mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats nicht vereinbar.
Anmerkung:
das Amtsgericht Emmendingen liegt im Zuständigkeitsbereich des für die Rechtsbeschwerde zuständigen Oberlandesgerichts Karlsruhe. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die verfahrensgegenständlichen Grundsatzfrage bislang ausdrücklich offen gelassen
Manuel Schoppe
Rechtsanwalt
Quelle: AG Emmendingen, Urt. v. 26.02.2014 – 5 OWi 530 Js 24840/12