Verweisung in Mietvertrag auf einen Betriebskostenkatalog (hier Anlage 3 zu § 27 I der II. BerechnungsVO), der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bzw. nicht mehr in Kraft ist, ist unwirksam.
AG Hanau, Urt. v. 09.07 – 37 C 106/14
Das Amtsgericht hat die umstrittene Frage entschieden, ob die Verweisung auf einenBetriebskostenkatalog, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bzw. nicht mehr in Kraft ist, wirksam ist.
Zum Sachverhalt:
Die Mieter begehren von dem Vermieter die Auszahlung eines in der Betriebskostenabrechnung nicht ausgewiesenen Guthabens.
Zwischen den Parteien war im November 2011 ein Mietverhältnis geschlossen worden. Die Miete betrug monatlich 590,00 € zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 200,00 €. Bei dem zwischen den Parteien verwendeten Vertrag handelt es sich um einen so genannten Altmietvertrag, also ein solches Exemplar, das vor der Mietrechtsreform 2001 Anwendung gefunden hat. Entsprechend ist die Betriebskostenumlagevereinbarung in § 4 Nr.3 des Mietvertrages so ausgestaltet, dass dieser mit Ausnahme der in Ziffer 2 ausdrücklich als umgelegt aufgeführten Heiz- und Warmwasserkosten auf die mit Datum vom 01.01.2004 außer Kraft getretene Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der II. Berechnungsverordnung verweist.
Der Vermieter hat zum 25.11.2013 die Betriebskostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2012/2013 erstellt. Diese weist eine Nachzahlungsforderungen zulasten der Mieter von 175,75 € aus bei einer Berücksichtigung von Vorauszahlungen von insgesamt 2.289,40 €. Auf die Mieter entfallen daher Heizkosten in Höhe von 1.185,26 €, sowie Wasserkosten in Höhe von 328,57 €.
Das Amtsgericht hat entschieden, dass den Mietern ein Anspruch auf Zahlung eines Guthabens aus der streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnung zusteht, denn mit Ausnahme der in § 4 Nr.2 des Mietvertrages aufgeführten Positionen wurde keine wirksame Betriebskostenumlage vereinbart.
Das Gericht hat zunächst ausgeführt, dass bei einer so genannten Inklusivmiete der Vermieter sämtliche Betriebskosten selbst trägt, insoweit keine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien gemäß § 556 Abs. 1 BGB dahingehend besteht, dass diese auf den Mieter umgelegt werden.
Eine entsprechende Klausel unterliegt einerseits dem halb zwingenden Abweichungsverbot des § 556 Abs. 4 BGB, insbesondere aber der Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB.
Maßgebliches Kriterium der AGB-Kontrolle im Betriebskostenrecht sei, da § 556 Abs. 4 BGB ohnehin jede nachteilige Abweichung zulasten des Wohnraummieters untersagt, insbesondere das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 2 BGB.
Das Transparenzgebot ist dann zu prüfen, wenn die Umlagevereinbarung des Mietvertrages die umzulegenden Positionen nicht enumerativ aufzählt, sondern auf einen – wie hier – Betriebskostenkatalog verweist.
Der Bundesgerichtshof sieht die Bezugnahme auf einen solchen Katalog grundsätzlich als zulässig an. Nicht entschieden und umstritten ist jedoch die Frage, ob die Verweisung auf einen Betriebskostenkatalog, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bzw. nicht mehr in Kraft ist, wirksam ist.
Teile der Rechtsprechung sehen einen solchen Verweis als wirksam an, ohne die Problematik näher zu thematisieren.
Differenzierter verhält sich die Literatur zu dieser Frage und steht dieser überwiegend ablehnend gegenüber.
Das Amtsgericht sah die Verweisung in der Umlagevereinbarung von Neuverträgen auf die Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung zwar als grundsätzlich möglich an, diese scheitere jedoch vorliegend, soweit enumerative Benennung der Positionen bezüglich der Betriebskosten erfolgt, am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 2 BGB.
Soweit vertreten wird, es dürfe nur auf eine geltende Rechtsverordnung verwiesen werden, gibt es hierfür keine rechtliche Grundlage. Eine Umlagevereinbarung unterliegt grundsätzlich der Vertragsfreiheit, eine gesetzliche Einschränkung dahingehend, dass nur solche Betriebskosten umgelegt werden können, die in der Betriebskostenverordnung enthalten sind, so dass auch nur hierauf Bezug genommen werden könne, ist nicht gegeben.
Soweit die Bezugnahme auf einen abweichenden, nicht mehr in Kraft stehenden Betriebskostenkatalog also dazu führt, dass die in Bezug genommenen Position in der inzwischen sind oder den Mieter sogar begünstigen, greift das Abweichungsverbot daher nicht.
Maßgeblich ist demnach, ob die Umlagevereinbarung der AGB-Kontrolle genügt. Gegen die wirksame Einbeziehung der Anlage 3 zu § 27 der II. BerechnungsVO bestehen zunächst hinsichtlich der gegebenen Möglichkeit der Kenntnisnahme keine Bedenken. Der Bundesgerichtshof lässt grundsätzlich die bloße Bezugnahme ausreichen, bei die Betriebskosten Verordnung allgemein bekannt und daher einsehbar ist. Nach an Sicht des Amtsgerichts Hanau gilt dies auch für die vorbezeichnete Anlage 3. Diese ist erst vor zehn Jahren außer Kraft getreten, im Geschäftsleben jedoch nach wie vor umfassend verbreitet und gerade über das Internet problemlos einzusehen.
Problematisch ist nach Ansicht des Gerichts jedoch, ob das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 2 BGB gewahrt ist. Hiernach sind die Verwender (also Vermieter) allgemeiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten der Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Nachteile und Belastungen soweit erkennbar sind, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann.
Die Rechtsprechung geht teilweise davon aus, dass der Verweis auf die Anlage 3 auch in Neuverträgen wirksam ist. Die Entscheidung bezieht sich jedoch auf Gewerberaummietverträge. Da gelten jedoch grundsätzlich andere erleichterte Anforderungen, als in der Wohnraummiete. Das ermöglicht eine großzügigere Handhabung der Transparenzerfordernisse bei der Umlage von Betriebskosten in der Gewerberaummiete. Eine solche Vorgehensweise ist in der Wohnraummiete jedoch nicht möglich, hier müssen die Betriebskosten konkret benannt werden oder durch ausreichend eindeutige Bezugnahme auf einen Betriebskostenkatalog kenntlich sein.
Da die Anlage 3 in Laufe der Zeit mehrfach verändert worden ist, ist das Transparenzgebot nach Ansicht des Gerichts nicht mehr gewahrt.
Dem stehen nach Ansicht des Gerichts auch nicht entgegen, dass auf die jeweils gültige Fassung verwiesen wird
Weiterhin ergebe eine Auslegung auch nicht, dass hier die derzeit gültige BetriebskostenVO einbezogen wurde. Dies würde nach Ansicht des Gerichts die Grenzen des Transparenzgebots bei weitem sprengen, da der Vermieter dann jeweils nur" Betriebskosten" oder "die Betriebskosten nach dem jeweiligen Katalog der aktuell gültigen Verordnung" umlegen könnte, was anerkanntermaßen gerade im Wohnraum Mietvertrag nicht möglich ist. Dabei ist auch zu sehen, dass der Bezug auf die "jeweils geltenden Fassung", deren Wirksamkeit ohnehin fraglich ist, dazu benutzt wird, die Verhinderung eines einmal wirksam einbezogenen Betriebskostenkatalogs im laufenden Mietverhältnis erfassen zu können. Vorliegend handelt es sich aber nicht um denselben Katalog.
Nach Ansicht des Gerichts wurden auch keine unklaren Umlagevereinbarungen nachträglich konkretisiert. Dies ist zwar grundsätzlich auch dann möglich, wenn aufgrund der vertraglichen Regelung nicht eindeutig erkennbar ist, ob und welche Betriebskosten umgelegt sind, und die Parteien im folgenden durch die Erstellung von Betriebskostenabrechnungen und deren Begleichung hierüber konkludent Klarheit herbeigeführt haben.
Dies ist im gegebenen Fall jedoch nicht ersichtlich. Aus einer einmaligen Begleichung der ersten Betriebskostenrechnung kann keine jahrelange Handhabung geschlossen werden.
Manuel Schoppe
Rechtsanwalt
Nesbit I Böggemeyer I Schoppe
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Quelle: AG Hanau, Urt. v. 09.07 – 37 C 106/14