Kündigung trotz grober Ehrverletzung durch Beschimpfung mit "Kollegenschwein".
Eine grobe Ehrverletzung eines Mitarbeiters stellt einen erheblichen Verstoß gegen die vertragliche Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dar und ist in der Regel geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. In jedem Fall sind jedoch bei der rechtlichen Würdigung die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
LAG Köln, Urt. v. 07.05.2014 – 11 Sa 905/13
Zum Sachverhalt:
Der 1956 geborene Kläger, Familienstand ledig, GdB 30, ist seit dem Oktober 2007 für den Arbeitgeber, der etwa 1500 Arbeitnehmer beschäftigt, als technischer Leiter eingestellt und wurde am Prüfstand eingesetzt. Der Kläger leidet unter gesundheitlichen Problemen, die er auf die Arbeitsbedingungen am Prüfstand zurückführt.
Ab dem 25.10.2012 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger erstrebte in einem Wiedereingliederungsgespräch erfolglos die Versetzung in ein anderes Team an. Dazu gab er an, dass er seinen Teamleiter nicht akzeptiere und nannte ihn ein "Kollegenschwein". Nachdem der Kläger sich mit dem Betriebsrat beraten hatte, stimmte er am Ende des Eingliederungsgesprächs dem Wiedereingliederungsplan der Beklagten und damit der Beschäftigung im bisherigen Team zu.
Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit einem auf den 14.02.2013 datierten Schreiben wegen der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe den Teamleiter wiederholt in ehrverletzende Weise als Kollegenschwein bezeichnet. Der Betriebsrat legte gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses Widerspruch ein. Nach Eingang der Stellungnahme des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Erstinstanzlich wurde der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt.
Die durch die Beklagte eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Dazu führte das Berufungsgericht aus, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst wurde, denn die Kündigungen erweisen sich insgesamt als unverhältnismäßig und halten einer Interessenabwägung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht stand.
Grundsätzlich genügen für eine verhaltensbedingte Kündigung Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen und bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zumindest die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.
Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB dar und sind grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Jedenfalls kennt das Gesetz keine absoluten Kündigungsgründe, sondern vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen.
Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese als Sanktion für den in Rede stehenden Vertragsverstoß angemessen ist. Im Kündigungsrecht gelte nicht das Sanktionsprinzip, sondern das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist daher dann gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist und künftigen Pflichtverstößen nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – seitens des Arbeitgebers geeignet gewesen wäre, eine künftige Vertragstreue zu bewirken.
Beruht die Vertragsverpflichtung auf steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Eine Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, das selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.
Weiterhin ist bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen stets eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, wobei das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüberzustellen ist.
Im Rahmen dieser vorzunehmenden Interessenabwägung sind unter anderem Gewicht und Auswirkungen der Vertragsverpflichtung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr, die Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen störungsfreier Verlauf und das Lebensalter so wie die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger seinen Teamleiter durch die Bezeichnung "Kollegenschwein" in erheblicher Weise grob beleidigt und gegen seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten verstoßen. Dies muss durch den Teamleiter auch nicht sanktionslos hingenommen werden. Das erstinstanzliche Gericht hat jedoch richtigerweise darauf hingewiesen, dass eine Abmahnung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine geeignete und angemessene Reaktion des Arbeitgebers gewesen wäre. Da sich bei einer Beleidigung um ein steuerbares Verhalten handelt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das zu erwartende Verhalten des Arbeitnehmers durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
Weiterhin handele es sich nicht um eine solch schwere Pflichtverletzung, die den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung entbehrlich gemacht hätte. Zwar sei hier ein zweimaliger Verstoß anzunehmen, aber es kann nicht angenommen werden, dass diese Beleidigung an den Teamleiter weiter getragen wurde. Daher kann nicht angenommen werden, dass der Kläger bewusst sein Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt hat.
Das Fortbestandinteresse des Klägers unterliegt daher dem Beendigungsinteresse der Beklagten. Zwar wird ausgeführt, es handelt sich um eine schuldhafte, erhebliche Pflichtverletzung seitens des Klägers. Jedoch sind keine weiteren nennenswerten Auswirkungen der Entgleisungen festzustellen.
Weder haben sie die Vorgesetzten des Teamleiter von der Äußerung des Klägers beeindrucken lassen, noch gab es, nachdem der Kläger am Ende des Gesprächs dem Eingliederungsplan zugestimmt hat, irgendwelche Konflikte oder mit Stimmungen am Arbeitsplatz. Es handelt sich insgesamt um einen einmaligen Vorfall im Rahmen einer angespannten Gesprächssituation.
Hinreichende Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Das Arbeitsverhältnis war bis dato Abmahnungsfrei. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses würde den Kläger aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und seiner Behinderung von GdB 30 mit den daraus folgenden eingeschränkten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt besonders hart treffen.
Quelle: LAG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 11 Sa 905/13
Manuel Schoppe
Rechtsanwalt
Nesbit I Böggemeyer I Schoppe
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