Sonderkündigungschutz des Datenschutzbeauftragten bei Absinken des Schwellenwertes

BAG, Urteil vom 05.12.2019 - 2 AZR 223/19 (Vorinstanz: LAG Hessen, Urteil vom 13.12.2019 - 6 SA 567/18)

 

Zum Sachverhalt: 

 

Die Parteien des Rechtsstreits streiten um die Wirksamkeit zweier ordentlicher fristgerechter Kündigungen.

 

Das Arbeitsgericht hatte in der ersten Instanz der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hessen die Berufung zurückgewiesen .

 

Der Beklagte war seit dem  01.04. 2010 bei der Beklagten beschäftigt. 

 

Zu dem Zeitpunkt waren dort neun Arbeitnehmer tätig, die alle ständig automatisiert personenbezogene Daten verarbeiteten.

 

Unter dem  01.06.2010 bestellte die Beklagte den Kläger gemäß § 4f BDSG a.F. Fassung zum Datenschutzbeauftragten. 

 

In den Jahren 2010 bis 2015 beschäftigte die Beklagte weiter zwischen 10 und 13 Mitarbeiter, im Jahr 2016 sodann lediglich neun 9 Mitarbeiter, welche alle ständig automatisiert personenbezogene Daten verarbeiteten.

 

Unter dem  12.04.2017 kündigte die Beklagte s dann das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich fristgerecht durch zwei ausgesprochene Kündigungen.

 

Der Kläger hat sich sodann in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren auf den Sonderkündigungsschutz gemäß § 4 Abs. 3 S. 5 BDSG a.F. berufen,  wonach das Arbeitsverhältnis nur außerordentlich fristlos gem. § 626 BGB beendet werden konnte.

 

Die Beklagte hingegen macht geltend, dem Kläger stehe kein Sonderkündigungsschutz mehr zu, weil zum Zeitpunkt  des Ausspruchs der Kündigungen der Schwellenwert des § 4 Abs. 1 S. 4 BDSG a.F. unterschritten gewesen sei .

 

Während das LAG Hessen entschied, dass bei Absinken des Schwellenwerts das  Sonderkündigungsschutz nicht ohne weiteres entfalle. Es hätte eines Widerrufs bedurft, welcher nicht erklärt wurd .

 

Das Bundesarbeitsgericht hingegen führt aus, dass das Sonderkündigungsrecht nur dann bestehe, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Voraussetzungen für die verpflichtende Bestellung eines  Datenschutzbeauftragten bestehe. § 4  Abs. 3 S. 5 BDSG a.F. knüpfe nicht vergangenheitsbezogen an die ursprüngliche Bestellung an, sondern an eine gegenwärtige Pflicht zur Bestellung.  

 

Dafür spreche auch, die sich aus der Gesetzesbegründung ergebende gesetzesübergreifende Systematik. Denn für die Wirksamkeit von Kündigungen seien stets die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs maßgeblich, so auch bei dem Sonderkündigungsschutzrecht für Betriebsratsmitglieder.  

 

Es gebe daher gesetzessystematisch keinen Anlass, bei der dem Sonderkündigungsschutzrecht für Mitglieder des Betriebsrats nachgebildeten kündigungsrechtlichen Regelung andere Maßstäbe anzulegen.

 

Dem Kläger könnte jedoch ein nachwirkender Kündigungsschutz nach § 4 f Abs. 3 Satz 6 BDSG a.F. zustehen, was abhängig von dem Zeitpunkt sei, ab dem der Schwellenwert nicht mehr erreicht war. Insofern kann sich der Kläger ggf. auf die Jahresfrist des § 4 f BDSG a.F. berufen.

 

Hinweis:

 

Die Regelung des § 4f findet sich nunmehr in § 6 BDSG. 

 

Auch danach besteht eine Fortwirkung des Sonderkündigungsrechts von einem Jahr nach dem Ende der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter.

 

Manuel Schoppe

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Quelle: BAG, Urteil vom 05.12.2019 - 2 AZR 223/19