Die Amazon A-bis-z Garantie: Keine Bindungswirkung zwischen Käufer und Verkäufer!

Urteil des Bundesgerichtshof vom 01.04.2020, Az. VIII ZR 18/19

 

Die Internet-Plattform Amazon Marketplace bietet Käufern mit der sog. A-bis-z-Garantie im Falle eines erfolgreichen Garantieantrags durchaus Vorteile.

 

Entgegen der noch immer vorherrschenden Ansicht vieler Nutzer wird das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer aber selbst dann nicht abschließend geregelt, wenn Amazon einen Garantiefall zu Recht bejaht.

 

Dies entschied der BGH mit obenstehendem Urteil bereits im letzten Jahr. Anlass zu der Entscheidung bot ein Rechtsstreit zwischen den Parteien eines unter Nutzung des Online-Marktplatzes geschlossenen Kaufvertrages über einen Kaminofen.

 

Der Ofen war nach erfolgter Bestellung zunächst an den Käufer ausgeliefert und der Kaufpreis von diesem auf ein Amazon-Konto überwiesen worden. Der eingegangene Geldbetrag wurde dem Amazon-Konto des Verkäufers gutgeschrieben.

 

In der Folge gab Amazon einem von dem Käufer gestellten A-bis-z-Garantieantrag statt, buchte den Kaufpreis vom Konto des Verkäufers wieder ab und überwies diesen dem Käufer zurück.

 

Der Verkäufer, der weiterhin Bezahlung des Kaufpreises für den beim Käufer befindlichen Kaminofens verlangte, verfolgte seinen Zahlungsanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) daraufhin im Klagewege und gewann in erster Instanz.

 

Dagegen wandte sich der Käufer mit der Berufung, wo er vor dem Landgericht Leipzig den Prozess im Januar 2019 zunächst gewann.

 

Das Landgericht vertrat die Auffassung, mit der Annahme des Garantiefalles durch den Plattformbetreiber Amazon sei für beide Parteien des Kaufvertrages verbindlich entschieden, dass gegenseitige Ansprüche zur Erfüllung des Vertrages nicht mehr bestünden. Durch die Nutzung der Plattform und die von Amazon vorgegebenen Bestimmungen über die Abwicklung des Kaufvertrages hätten sich beide Vertragspartner mit der Anwendung dieser Regelungen einverstanden erklärt. Insbesondere habe sich der Verkäufer im Rahmen der zwischen ihm und Amazon getroffenen Vereinbarung über den Verkauf von Produkten auf der Plattform den darin enthaltenen Regelungen derart unterworfen, dass er an im Hinblick auf eine Garantiegewährung an die Entscheidung von Amazon gebunden sei. Rechte gegen den Käufer könne der Verkäufer nicht geltend machen; vielmehr müsse er sich, soweit er sich gegen die Annahme eines Garantiefalles wende, allein an seinen Vertragspartner Amazon halten.

 

Der Fall sei nicht mit dem vom BGH entschiedenen Fall des Zahlungsdienstleisters PayPal (Senatsurteil vom 22.11.2017, Az. VIII ZR 83/16) vergleichbar. Schließlich erbringe Amazon neben der bloßen Abwicklung des Zahlungsverkehrs zugleich eigene weitere Leistungen, die dem Unternehmen eine gesonderte Stellung innerhalb des Vertragsverhältnisses zwischen den Kaufvertragsparteien zuweise.

 

Dem erteilte der BGH eine deutliche Absage.

 

Er hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

 

Der BGH stellte klar, dass die von Amazon nach den Regelungen der A-bis-z-Garantie bewilligte Garantie sowie eine auf dieser Grundlage veranlasste Rückerstattung des Kaufpreises an den Käufer der Geltendmachung des Kaufpreiszahlungsanspruches nicht entgegenstehen.

 

Der Anspruch, so der BGH, erlischt zwar zunächst durch die Gutschrift auf dem Amazon-Kontos des Verkäufers. Das bloße Risiko eine Rückbuchung hat insofern keinen Einfluss auf den Eintritt der Erfüllungswirkung und diese entfällt im Falle tatsächlicher Rückbuchung auch nicht rückwirkend.

 

Mit der einverständlichen Vertragsabwicklung über Amazon Marketplace haben aber die Parteien bereits bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbart, dass die Kaufpreisforderung für den Fall wiederbegründet, dass Amazon das Verkäuferkonto aufgrund eines erfolgreichen A-bis-z-Garantieantrags des Käufers rückbelastet. Darauf, ob die Voraussetzungen der A-bis-z-Garantie tatsächlich vorgelegen haben, kommt es dabei nicht an.

 

Inhaltlich begründet der BGH seine Entscheidung mit einer an den wechselseitigen Interessen der Beteiligten orientierten Vertragsauslegung und argumentiert:

 

Der Erklärungsgehalt der bei Abschluss des Kaufvertrages über die Amazon-Plattform abgegebenen Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) richtet sich auch nach den für den Kauf von Amazon-Artikeln geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Amazon. Diesen haben die Parteien vor Nutzung der Internetplattform zugestimmt. Der Aussagegehalt der AGB ist daher bei der Auslegung der von Käufer und Verkäufer abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen.

 

Diese Auslegung, so führt der BGH aus, ergibt, dass die Vertragsschließenden dahingehend übereinstimmen, dass die für ihre vertragliche Beziehung bestehenden rechtlichen Regelungen, also insbesondere auch die gesetzlichen, unabhängig von der Entscheidung über die Gewährung einer Garantie Bestand haben sollen. Im Gegenteil sprechen die berechtigten Erwartungen und Interessen der Kaufvertragsparteien gegen eine Bindungswirkung derart, dass die Entscheidung über den Garantieantrag im Verhältnis zwischen Amazon und Käufer auch im Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer maßgeblich sein soll. Vielmehr soll bei Leistungsstörungen das bei Vertragsschluss vereinbarte Recht gelten. Daran ändert auch nichts, dass die jeweilig im Verhältnis zwischen Amazon und Amazonnutzer getroffenen Vereinbarungen im Verhältnis der Nutzer untereinander auf Auslegungsebene zu berücksichtigen sind.

 

Den berechtigten Interessen der Vertragsparteien entspricht allein die Auslegung, wonach die Garantieentscheidung sie in ihrem gegenseitigen Verhältnis nicht bindet und der Verkäufer hierdurch nicht an der Geltendmachung der Kaufpreisforderung gehindert wird, was die Wiederbegründung der erloschenen Kaufpreisforderung mit sich bringt.

 

Dem widerspräche es, eine Vertragspartei durch die Einschränkung gesetzlicher oder vertraglicher Rechte des Vertragspartners unangemessen zu begünstigen.

 

So besteht kein Zweifel daran, dass es dem Käufer im Falle eines erfolglosen Garantieantrages unbenommen bleibt, zur Realisierung seiner Rechte die Hilfe staatlicher Gerichte in Anspruch zu nehmen.

 

Deshalb ist es nach Ansicht des BGH zur Vermeidung eines nach objektiven Maßstäben nicht tragbaren vertraglichen Ungleichgewichts allein interessengerecht, dass der Verkäufer nach einem erfolgreichen Garantieantrag des Käufers wieder berechtigt ist, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.

 

Auch die berechtigten Erwartungen des Käufers werden durch die Wiederbegründung der Kaufpreisforderung nicht beeinträchtigt. Der Wortlaut "A-bis-z-Garantie" suggeriert, so der BGH, zwar eine abschließende Regelung zu Gunsten des Käufers. Aus den Richtlinien zur Garantie geht jedoch hervor, dass es sich hierbei nur um ein von Amazon gewährtes Recht handelt. Ein verständiger, redlicher Käufer kann trotz des Wortlauts nicht erwarten, dass der Verkäufer durch die Entscheidung des am Kaufvertrag nicht beteiligten Plattformbetreibers seine Rechte ihm gegenüber verliert.

 

Ihren Nutzen verliert die A-bis-z-Garantie hierdurch aber nicht. Im Falle eines erfolgreichen Garantieantrags erlangt der Käufer seine Kaufpreiszahlung zurück, ohne dass er diesen Anspruch einklagen und zur Überprüfung der Gerichte stellen muss. Eine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung mit den damit verbundenen Solvenzrisiken bleibt ihm erspart. Durch die Rückbuchung liegt die Prozessführungslast auf Seiten des Beklagten.

 

Schließlich ist es auch sachgerecht, rechtlicher Streitigkeiten abschließend im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander zu klären, anstatt eine Partei auf einen Rechtsstreit mit dem Plattformbetreiber zu verweisen (ebenso für PayPal: Senatsurteil vom 22.11.2017, a.a.O.).

 

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