BGH Urteil vom 10.11.2021, Az.: VIII ZR 107/20
In seiner vorbezeichneten Entscheidung befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob die Kosten einer Baumfällung als Betriebskosten von Seiten des Vermieters auf den Mieter umgelegt werden können, oder ob sie als solche der Instandhaltung einer Umlagefähigkeit entzogen sind.
Gemäß § 556 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 1 Betriebskostenverordnung (BetrKV) sind Betriebskosten diejenigen Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum oder dessen bestimmungsgemäße Nutzung laufend entstehen.
Von diesen laufenden Kosten sind solche der Instandhaltung und Instandsetzung abzugrenzen, die durch den Vermieter zu tragen sind.
Derartige Kosten werden regelmäßig durch Reparatur und Widerbeschaffung verursacht und müssen zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Mietsache – die grundsätzlich dem Vermieter obliegt – erbracht werden, um die durch Abnutzung, Alter und Witterungsbedingungen entstehenden baulichen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV.
Bei dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Sachverhalt waren einem Mieter die Kosten der Fällung eines über 40 Jahre alten, auf dem vermieteten Anwesen stehenden Baumes, welcher morsch und aufgrund dessen nicht mehr standfest war, durch seinen Vermieter auferlegt worden. Der Mieter hatte die betreffende Betriebskostenforderung zunächst unter Vorbehalt ausgeglichen und nahm seinen Vermieter nunmehr auf Rückzahlung in Anspruch.
Doch wozu zählen die Kosten einer notwendigen Baumfällung?
Zu dieser im Zentrum des Verfahrens stehenden Frage wurde in Literatur und Rechtsprechung bislang unterschiedliche Ansichten vertreten:
Teilweise wurde davon ausgegangen, Baumfällungskosten seien generell nicht umlagefähig, da es sich bei diesen bereits nicht um „laufende“ Kosten i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV handele und der Vermieter mit der Fällung eines morschen und standunsicheren Baumes lediglich eine Verkehrssicherungspflicht erfülle oder einen der Mietsache anhaftenden Mangel beseitige.
Nach anderer Auffassung fallen in diese Kosten die für die Fällung eines alters-, witterungs- oder umweltbedingt abgängigen, also allmählich absterbenden Baumes unproblematisch unter § 2 Nr. 10 BetrKV, weil die Beseitigung eines solchen Baumes zur ordnungsgemäßen Gartenpflege gehöre.
Mit seinem Urteil gewährt der BGH der letztgenannten Auffassung den Vorzug.
Er entschied – entsprechend der Vorinstanzen –, dass die Kosten der Fällung des morschen Baumes als Kosten der Gartenpflege in der Tat zu den umlagefähigen Kosten nach § 2 Nr. 10 BetrKV zu zählen seien und Mieter dementsprechend mit solchen Kosten belastet werden können.
Die Vorschrift regelt, dass Betriebskosten i.S.d. § 1 BetrKV u.a. Kosten der Gartenpflege sind, wozu auch solche der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen gehören.
Dies umfasse nach Rechtsauffassung des BGH die Kosten der Pflege zum Wohnanwesen gehörender gemeinschaftlicher Gartenflächen, die weder der Vermieter- noch der Mieterseite zur alleinigen Nutzung, noch der Öffentlichkeit zur allgemeinen Nutzung überlassen sind.
Da eine konkrete Zusammensetzung an Pflanzen in einer Gartenanlage regelmäßig nicht geschuldet sei, begründe die Morschheit eines vorhandenen Baumes nicht aus sich heraus das Vorliegen eines Mangels der Mietsache.
Darauf, ob der Vermieter mit der Baumfällung im Einzelfall eine Verkehrssicherungspflicht erfülle, könne es bei der Frage der Umlagefähigkeit nicht ankommen, da es sich hierbei um ein rein haftungsrechtliches Kriterium handele.
Darüber hinaus erfasse, so stellt der BGH streitentscheidend klar, bereits der Wortlaut des § 2 Nr. 10 BetrKV Baumfällarbeiten, denn diese seien unter die Merkmale der „Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen“ zu fassen.
Bäume seien sowohl verholzte Pflanzen als auch Gehölze. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Größe oder Art sei der Vorschrift nicht zu entnehmen. Auch stehe dem nicht entgegen, dass ausdrücklich lediglich die Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen und nicht deren Entfernung normiert sei. Denn zur Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen zählten sämtlich Maßnahmen, die objektiv dem Erhalt der Gartenanlage als solche infolge eines Pflegebedarf dienen. Zudem setzte eine Erneuerung von Pflanzen und Gehölz regelmäßig eine vorherige Entfernung voraus.
Unschädlich sei des Weiteren, dass Kosten einer Baumfällung nicht in einer vorhersehbaren Regemäßigkeit anfielen, da es, so der BGH, für die Annahme laufender Kosten im vorgenannten Sinne nicht erforderlich sei, dass diese jährlich oder in exakt festgelegten Abständen anfielen. Ausreichend sei insofern vielmehr ein wiederkehrender Turnus. Überdies handele es sich bei Pflanzen und Gehölzen um Lebewesen, so dass ein Erneuerungsbedarf in zeitlicher Hinsicht nicht voraussehbar sei.
Trotz dieser Unwägbarkeiten handele es sich bei der Umlage der Kosten gleichwohl nicht um ein „unerwartbares Ereignis“, welches als solches dazu führen würde, dass es als nicht gerechtfertigt erschiene, den Mieter mit derart unvorhersehbaren Kosten zu belasten.
Letztlich stelle auch die Höhe der Betriebskosten kein maßgebendes Kriterium zur Beurteilung der Frage der grundsätzlichen Umlagefähigkeit dar, da das Betriebskostenrecht den Schutz des Mieters vor im Einzelfall anfallenden hohen Kosten nicht pauschal gewährleiste. Außerdem, so gibt der BGH abschließend zu bedenken, könne das in der Begründung zur BetrKV ausdrücklich erwähnte und demnach unproblematisch umlagefähige „Schneiden und Ausasten von Bäumen„ im Einzelfall Kosten verursachen, welche die Kosten einer reinen Baumfällung überschreiten.
Quelle: BGH Urteil vom 10.11.2021, Az.: VIII ZR 107/20